: Erst die Stimme verloren, dann den Job
Weil er nicht mehr schreien konnte, durfte Anders Bogsjö nicht mehr im Tor von Borås stehen. Dagegen hat er geklagt
STOCKHOLM taz ■ Jahrelang schallte die kräftige Stimme von Anders Bogsjö über den Platz, wenn sein Erstligaklub Elfsborg Borås spielte. Von 1985 bis 2000 stand er für den westschwedischen Traditionsklub im Tor, die meiste Zeit als erste Wahl. Doch im Herbst 1999 traf es ihn: eine schlimme Heiserkeit, hervorgerufen von Polypen auf dem Stimmband. Worauf die Klubleitung seinen Vertrag nicht mehr verlängerte. „Allein wegen meiner Stimmprobleme“, ist Bogsjö überzeugt: „Ich konnte mich einfach nicht mehr ausreichend bemerkbar machen. Es ist nun mal wichtig, dass ein Torwart schreit um seine Spieler zu dirigieren.“
Überzeugt davon, dass sowohl der Grund seiner Heiserkeit mit dem stetigen Brüllen aus dem Tor heraus zu tun hatte als auch sein Frührentnerdasein auf der hierdurch ausgelösten Piepsstimme beruhte, stellte er einen Antrag auf Anerkennung als Arbeitskrankheit. Und die Zahlung einer Arbeitsunfähigkeitsrente für zumindest drei Jahre und somit um jene Zeit, von der der jetzt 37-Jährige glaubt, dass seine Karriere vorzeitig beendet wurde. Die Kasse sagte nein. Es gebe weder einen zwingenden medizinischen Zusammenhang zwischen Torwartgebrüll und Polypen noch einen Beleg dafür, dass nur ein stimmstarker Torhüter ein guter Torhüter sein kann.
Diese, zumindest was letzteres Argument angeht, offenbar in völliger Unkenntnis der torhüterischen Arbeitssituation gemachte Begründung hielt nun einer gerichtlichen Prüfung nicht stand. Die Richter des Landgerichts Vänersborg – vermutlich Fußballfans, die auch schon mal TV-Übertragungen von Spielen der deutschen Nationalmannschaft verfolgt hatten und denen die wunderbar-melodische Stimme Oliver Kahns seither unauslöschlich in den Ohren klingen dürfte – sahen das ganz anders. Ein Torwart ohne kraftvolle Stimme sei für einen Profiklub undenkbar. Ein Facharzt für Foniatrie gutachtete zudem, dass tatsächlich die Überanstrengung bereits entzündeter Stimmbänder durch Schreien und Rufen besonders beim abendlichen Training im für Schweden nicht unüblichen nasskalten Klima zu einer dauernden Schädigung der Stimme führen könne. Der Profi könne den Arbeitsschaden deshalb zu Recht geltend machen. Anders Bogsjö hat nach einer Operation mittlerweile wieder Stimme. Aber die allein reicht nun auch nicht mehr für ein Comeback. REINHARD WOLFF